InvestNews 03.11.2022
Guten Tag liebe Leser,
willkommen an der Kreuzung zwischen Wirtschaft und Ethik – eine Kreuzung, die von manchen geleugnet, von vielen totgetrampelt und von wieder anderen mit kluger Regulierung belebt wird.
Das neue Lieferkettengesetz: Zwischen Moral und Realität
Wir widmen uns heute der klugen Regulierung. Konkret geht es um die Frage, wie und in welchem Umfang Firmen Verantwortung für ihre Lieferketten übernehmen können und welchen Nutzen – oder Schaden – die neue Lieferkettenregulierung entfaltet.
Die globalen Lieferketten schlängeln sich um den Erdball von Nord nach Süd, von Ost nach West. Sie verbinden Industriestaaten und Entwicklungsländer. Aufgabe und Pflicht der großen Wirtschaftsblöcke ist es, weltweite Standards zu setzen, vor allem im Hinblick auf Arbeitsbedingungen und Kinderarbeit.
Am 01. Januar 2023 tritt das neue Lieferkettengesetz in Kraft. Deutsche Unternehmen stehen mit mehr als 3000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Pflicht, eine Risikoanalyse zu erstellen und ihre Lieferketten zu überprüfen. Hubertus Heil begründet das so: „Unseren Wohlstand können wir nicht dauerhaft auf der Ausbeutung von Menschen aufbauen.“ Vorgaben und Berichtspflicht werden einmalige Kosten von etwa 110 Millionen Euro verursachen, schätzt das Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Es bleibt abzuwarten, ob dieser Aufwand ausreichend sein wird und inwieweit die Überprüfung der Lieferkettenberichte vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) überhaupt umgesetzt werden können, zumal statt der vereinbarten 69 Mitarbeiter nur 20 eingestellt wurden bei der BAFA.
Im Hinblick auf die konkrete Ausgestaltung der unternehmensinternen Prozesse und Formate herrscht für die Praxis noch Klärungsbedarf. Auch der hohe technische Aufwand der Nachvollziehbarkeit der Lieferketten darf nicht außer Acht gelassen werden, eine konkrete Lösung ist bisher nicht in Sicht.
Die Achtung der Menschenrechte und des Umweltschutzes und der Schutz von Kindern sind absolut vorrangig. Im Gegenzug darf die Lieferkettenzertifizierung nicht dazu führen, dass am Ende hierfür ein neuer Wirtschaftszweig entsteht und deutsche Unternehmen wegen der belastenden Kosten z.B. weniger in Entwicklungsländern einkaufen.
Fazit: Es gilt also genau hinzuschauen und abzuwägen.
Ist die Abhängigkeit von China ein Gespenst oder malen wir Gespenster an Wände?
Wenn am Donnerstag der Bundeskanzler und eine zwölfköpfige Wirtschaftsdelegation im Regierungsflieger nach China aufbrechen, dann sitzt ein Gespenst mitten unter ihnen. Der Name ist Programm. Das Gespenst sieht, wenn man den Boulevard-Medien Glauben schenken darf, gar gruselig, weil monströs aus. Bei näherer Betrachtung ist es aber nur halb so schrecklich wie befürchtet. In Gänze ist es nicht die deutsche Volkswirtschaft, die von China abhängig ist – vielmehr betrifft es einzelne Firmen, wie Volkswagen und BASF. In vielen Fällen wird „ein Gespenst an die Wand gemalt“, so Jörg Wuttke, Vorsitzender der EU-Handelskammer. Dies wird auch durch eine Studie aus 2021 des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) Köln belegt.
China ist nicht der wichtigste Exportpartner der Bundesrepublik, wie viele glauben, sondern befindet sich gemessen am Warenwert auf Platz 2, hinter den USA und nur knapp vor Frankreich und den Niederlanden. Zudem ist China auf der Exportseite deutlich abhängiger von der EU als umgekehrt. Lediglich 2,4 Prozent des deutschen Arbeitsmarktes befinden sich in Abhängigkeit vom China-Geschäft. Der wichtigste chinesische Absatzmarkt auf dieser Welt liegt nicht in der EU, sondern in den USA.
Auffällig ist allerdings, dass China seine Abhängigkeit von Europa seit 15 Jahren sukzessive reduziert. Die Studie kommt zu der Erkenntnis, dass China den Status quo zu seinen Gunsten zu verändern versucht, derweil die Europäer ihre relative Abhängigkeit vergrößern.
Fazit: Die EU muss aufpassen, dass sie mittelfristig nicht deutlich stärker handelsseitig von China abhängig sein wird als umgekehrt.
(Quelle: ThePioneer)
Eine schöne verkürzte Woche wünscht Ihnen das Team der Müller & Veith Investment GmbH.
Zum Schluss ein Blick auf die Kapitalmärkte
Europa
- AUTO1 übertraf die Erwartungen für den Umsatz in Q3 (€1,71Mrd vs. cons. €1,63Mrd). Der bereinigte Ebitda-Verlust belief sich auf €35,2Mio (cons. €38Mio). BBG – 02.11.22
- Hexpol willigte ein, McCann Plastics für $120Mio zu übernehmen. Die Transaktion sollte noch im Q4 vollzogen werden. BBG – 02.11.22
- Marimekko berichtete einen bereinigten Gewinn je Aktie i.H.v. €0,22 (cons. €0,24). Der Nettoumsatz verfehlte ebenfalls die Erwartungen (€44,1Mio vs. cons. €45,6Mio). BBG – 11.02.22
Nordamerika
- AMD berichtete für das dritte Quartal einen Umsatz von $5,57Mrd (cons $5,62Mrd) bei adj. EPS von $0,67 (cons $0,68) und einem Gewinn von $66Mio. Der US-Chiphersteller blickt zudem verhalten auf den Jahresabschluss. Im letzten Quartal 2022 rechnet man mit einem Umsatz von $5,5Mrd, plus/minus $300Mio. Analysten hatten bislang mit $5,85Mrd gerechnet. Stark zeigt sich das Unternehmen weiterhin bei Hochleistungschips für Rechenzentren. Die Aktie handelte daraufhin nachbörslich um 4,2% fester. RTRS – 02.11.22
- Airbnb berichtete für das dritte Quartal einen Umsatz von $2,88Mrd (cons $2,84Mrd) bei adj. EPS von $1,79 (cons $1,47) und einem Gewinn von $1,21Mrd. Das Unternehmen warnte zudem vor einer Abkühlung der Nachfrage und prognostiziert für das vierte Quartal nur noch einen Umsatz zwischen $1,8Mrd und $1,88Mrd. Der Mittelwert daraus liegt unter den bisherigen Analystenprognosen von $1,85Mrd. Außerdem belaste der starke Dollar die Bilanz. AirBnB erwirtschaftet etwa die Hälfte seinen Umsatzes außerhalb der USA. Die Aktie handelte daraufhin nachbörslich um -5,4% schwächer. RTRS – 02.11.22
- Tesla strebt an, Ende 2023 mit der Massenproduktion seines Cybertrucks zu beginnen, zwei Jahre später als ursprünglich erwartet. RTRS – 01.11.22
Asien/EM
- Israel/Wahlen: In Israel steht Ex-Ministerpräsident Benjamin Netanjahu vor der Rückkehr an die Schaltstellen der Macht. Nach Prognosen errang sein rechtsgerichtetes Bündnis bei der Parlamentswahl am Dienstag eine knappe Mehrheit. In Nachwahl-Befragungen kam es auf 61 oder 62 Sitzen in der 120 Mandate umfassenden Knesset. Das endgültige Wahlergebnis, das erst im Lauf der Woche erwartet wird, kann von den Prognosen abweichen. Sie zeigen aber, das der rechte Block stärker als erwartet abgeschnitten hat. RTRS – 02.11.22
- Ukraine/Getreide: Der UN-Koordinator für Getreide-Transporte, Amir Abdulla, geht von der zügigen Wiederaufnahme der ukrainischen Lieferungen aus. „Obwohl für den 2. November keine Schiffsbewegungen im Rahmen der #BlackSeaGrainInitiative geplant sind, erwarten wir, dass beladene Schiffe am Donnerstag auslaufen“, twittert er. „Die Exporte von Getreide und Lebensmitteln aus der #Ukraine️ müssen weitergehen.“ Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj forderte den langfristigen Schutz der Korridore durch das Schwarze Meer für Getreide-Frachter. Die Welt müsse entschlossen auf jeden russischen Versuch reagieren, die Passage zu blockieren. RTRS – 02.11.22
- Brasilien: Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro hat in seiner ersten öffentlichen Stellungnahme seit der Wahl am Sonntag vermieden, seine Niederlage einzuräumen. Allerdings erklärte Kabinettschef Ciro Nogueira am Dienstag nach der kurzen Ansprache des Präsidenten, die Übergabe der Regierungsgeschäfte an den Wahlsieger Luiz Inacio Lula da Silva werde eingeleitet. Zuvor hatte der Rechtspopulist Bolsonaro versichert, sich an die Verfassung halten zu wollen und sich bei seinen Wählern bedankt. Bolsonaro war Lula da Silva knapp unterlegen. Bislang hatte er sich in Schweigen gehüllt, was Spekulationen schürte, dass er das Ergebnis nicht anerkennen könnte. RTRS – 02.11.22
(Quelle: GoldmanSachs)